Donnerstag, 11. Januar 2007

Autogazette: Ferrari 599 GTB im Test

Mit einem Hauch von Formel 1 bezeichnet Stefan Grundhoff den Ferrari 599 GTB, den er für die Autogazette testen durfte.

Das tönt dann so:

"Denn der neueste der Renner aus Modena ist ein grandioser Hingucker - und doch wieder nicht. Er ist elegant und sportlich, schnell und gefährlich, lammfromm und idiotensicher. Ein Wagen für die Rennstrecke – und den Weg zur Arbeit.

Nachteil des design-technischen Understatements: Das Überholimage könnte stärker sein. Denn im Rückspiegel erahnt kaum einer den Ferrari und 620 PS schon gar nicht. Die Front ist breit, flach und elegant. Keine Spur vom wilden Stier wie beim Lamborghini Murcielago oder beim hochtechnischen Mercedes SLR, die in ähnlichen Kategorien Kunden räubern. Aber sein betont graziles Design macht den Ferrari derzeit wohl zu einem der schönsten Coupés weltweit. Angesichts der sanften Schwünge, zarten Linien und mächtigen Radsätze können nur Konkurrenten wie der Aston Martin Vanguish, das in die Jahre gekommene Maserati Coupé oder der große Bruder Ferrari 612 Scaglietti mithalten. Allen ist diese aufreizend lange Motorhaube gemein, unter der schier endlose PS-Stärken verborgen sind und die Boliden zu Höchstleistungen treiben. Doch so dezent wie im 4,66 Meter langen 599 GTB sind zwölf Zylinder und 620 PS wohl selten verkleidet worden.

Den Zwölfzylinder mit seinen sechs Litern Hubraum kennt man leicht modifiziert bereits aus dem Ferrari Enzo. Im 599 GTB leistet er 456 kW / 620 PS und 608 Newtonmeter Drehmoment bei 5.600 Umdrehungen pro Minute. Eine Pferdestärke hat es somit gerade einmal mit 2,6 Kilogramm Fahrzeuggewicht zu tun. Kein Wunder, dass der Renner in 3,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt. Dabei hat er überhaupt keine Probleme damit, die Kraft auf die Straße zu bringen. Höchstgeschwindigkeit? Nach Ferrari-Angaben mehr als 330 km/h.

Auch der Start fällt beim 599 GTB eher dezent aus: Kein wildes Dröhnen, Wummern oder Brüllen, ein Druck auf der Starterknopf und das Feuer ist entfacht – präsent, aber nicht nervig. Unter 3000 Touren zeigen sich Motor und Sound höchst unwillig – erst ab 3500 geht es los und bei 4000 öffnen endlich die Klappen in den Endrohren und der Ferrari bläst zum Angriff. Dann hängt er bissig am Gas, will immer mehr und belohnt den Piloten mit grenzenlosem Vorwärtsdrang.

Über den Verbrauch kann man nur spekulieren. Ferrari spricht im Drittelmix von 21,3 Litern Super auf 100 Kilometern. Fest steht, dass das Tankvolumen von 105 Litern die Kundschaft deutlich mehr interessieren dürfte. Jedenfalls: Wenn schon einen Ferrari 599 GTB, dann auch einem mit der leider nicht serienmäßigen F1-Schaltung. Das 6800 Euro teure Detail erledigt die Gangwechsel dank aufwändiger Technik in gerade einmal 100 Millisekunden, ein Wimpernschlag bis der nächste Gang drin ist.

Dabei kommt die Kraft sogar fast komfortabel auf die Straße: Wer angesichts von 620 PS einen brettharten Renner erwartet hatte, sieht sich schnell eines besseren belehrt. Klar, der Jungspund aus Maranello ist auf den Hüften straff gefedert; aber angesichts des dünnen Gummischutzmantels um die vier Felgen und der üppigen Kräfteverhältnisse ist recht kommod unterwegs. Dabei bleibt der Ferrari aber ein Sportwagen, ohne jegliche Seitenneigung, ohne Einnicken oder übersteuernden Vorderwagen.

Der Fahrer hat die Sache jederzeit fest im Griff – vorausgesetzt er weiß, wie man das 1,7 Tonnen schwere Gefährt standesgemäß bewegt. Die Lenkung ist grandios präzise und dürfte für wenig rennsport-erfahrenen Piloten gerne etwas leichtgängiger sein. Kenner der Szene freuen sich derweil über das exzellente Einlenkverhalten und die Spurtreue auch bei sehr hohen Geschwindigkeiten. Über einen Drehknopf am Steuer lassen sich Motorkennung, Fahrwerkabstimmung und Stabilitätsprogramm dazu vielfältig beeinflussen. In den Modi Sport und Race kommt das Heck willig etwas nach außen und lässt Raum für verwegene Formel-1-Träume. Auch die Gewichtsverteilung ist vorbildlich. Der weit hinter der Vorderachse positionierte Motor sorgt dafür, dass 53 Prozent des Gewichts auf dem Hinterteil liegen – ideal.

Solche Technik hat natürlich ihren Preis – präzise: mindestens 206.700 Euro. Und trotz des stattliches Basispreises kann man seinen 599 GTB Fiorano mit einer Reihe von netten Details sogar noch teurer machen: Renngurte, lackierte Bremssättel oder ein Lederkofferset sind aber wohl mehr Versuchung als Zwang. Dass in dieser Klasse Annehmlichkeiten wie eine Keramik-Bremsanlage (15.315 Euro) sowie Sportsitze aus dem Hause Recaro mit Sitzheizung, Lordosenverstellung und Speicherfunktion nochmals 3.075 Euro kosten, scheint dem Reich der Träume entsprungen – ist aber Realität.

Serienmäßig ist der perfekt verarbeitete Innenraum. Hier geht es elegant, jedoch durchaus sportlich zu. Karbonelemente und mächtige Lüftungsdüsen könnten auch aus einem Tourenwagen stammen. Die im Basispreis enthaltenen Sportsitze sind die besten, die Ferrari je in einem Serienfahrzeug verbaut hat. Groß gewachsene Fahrer sitzen jedoch nach wie vor nicht ideal und stoßen mit dem Kopf am bezogenen Dachhimmel an. Schön, wenn die Norditaliener auch einmal einsehen würden, dass auch Menschen über 1,82 Meter solche Traumvehikel erstehen wollen. Andere Sportwagenmarken zeigen längst, wie sich niedrige Dachlinie und gute Sitzposition vereinbaren lassen. "

Der ganze Artikel: http://www.autogazette.de/artikel_487705_1.htm

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