In der Autozeitung wird derzeit der Lamborghini Murciélago LP640 mit dem Mercedes SLR McLaren 722 verglichen und mit einem beeindruckenden Testbericht werden die Vorteile und Nachteile beider Modelle vorgestellt.
Schon der Auftritt jedes einzelnen dieser Supersportler ist ein Erlebnis – zusammen sind der Lamborghini Murciélago LP640 und der Mercedes SLR McLaren 722 aber ein Unding automobiler Schönheit und Kraft.
Einige Auszüge aus dem Text:
"Den Touristen auf dem Parkplatz des St. Gotthard Passes wird wirklich etwas geboten: Die imponierende und gewaltige Alpenkulisse schlägt alle in ihren Bann. Aber plötzlich ist das Felsenmeer nur noch ein Nebenschauplatz. Das Augenmerk aller Anwesenden richtet sich schlagartig auf ganz andere Dinge. Was ist denn da bloß los? Ob jung oder alt, männlich oder weiblich, alle fuchteln wild und unkontrolliert mit den Armen und haben die Münder weit aufgerissen, ohne dabei den geringsten Ton auszustoßen. Kein Ah und kein Oh – ergriffenes Schweigen herrscht. Sie scheinen etwas ganz Außergewöhnliches entdeckt zu haben. Etwa einen Yeti oder ein Wesen aus einer anderen Welt?
Ein Yeti ist es bestimmt nicht, aber Wesen aus einer anderen Dimension sind es schon! Das, was sich da vorsichtig und langsam als grüner und silberner Punkt nähert, stammt zwar nicht wirklich aus einer anderen Galaxie, ist aber so weit weg von jeder Vorstellung, dass die Ergriffenheit und das Schweigen leicht zu verstehen sind. Wann sieht man so etwas schon mal live und in Farbe? Ehrfürchtig wird eine Gasse gebildet, die sich, nachdem die beiden Monster ungehindert auf den Parkplatz abgebogen sind, sofort wieder zu einer einzigen Menschentraube schließt.
Mehr Show geht nicht
Bitte sehr, wir stellen vor: Der Lamborghini Murciélago LP640 und der neue Mercedes SLR McLaren 722, ein modifizierter SLR, der jetzt dank geänderter Ansaugluftführung und überarbeiteter Motorelektronik 650 PS aktiviert, präsentieren sich zusammen an einem Ort. Jeder einzelne von ihnen ist schon Show pur – aber beide auf einmal …
Fangen wir mit dem Lamborghini an. Dank seiner extravaganten Flunderform wirkt er wahrlich wie ein Wesen aus einer fremden Welt. Mit seinen extremen Proportionen – angefangen bei einer Breite von über zwei Metern bis hin zu der Höhe von lediglich 1,14 Metern sowie den nach oben öffnenden Türen – wirkt der knallgrün lackierte Murciélago im normalen Straßenverkehr wie eine giftige Wasserschlange im Karpfenteich. Seine Front mit den riesigen Luftöffnungen und der stufig designten Frontlippe scheint nahezu den Asphalt zu berühren, und am Heck fallen besonders der großflächige Diffusor und das mittig platzierte Endrohr der Auspuffanlage im XXL-Format auf. Der LP640 ist ein spektakuläres Design-Kunstwerk, das aerodynamische Funktionalität mit optischen Effekten verbindet. Mehr Aufmerksamkeitspotenzial geht fast nicht. Aber eben nur fast.
Das silberne Etwas neben ihm steht dem Italiener nämlich in keiner Beziehung nach. Die überdimensionale Frontpartie des Mercedes mit der spitz zulaufenden Nase, die seitlich unter den Türen positionierten Auspuffrohre, die Kiemen in den vorderen Kotflügeln, das weit nach hinten gerückte Passagierabteil, das gewaltige Heck mit Diffusoren, die wie herunterhängende Lefzen aussehen, und die ebenfalls mit Flügeltüren versehenen Einstiegsöffnungen ergeben zwar eine völlig andere Optik. Der SLR 722 ist aber mindestens genauso spektakulär anzusehen wie der Lamborghini. Seine Karosserieform ist völlig anders, aber ebenso eigen – und vielleicht sogar die aufregendste, die es derzeit zu sehen gibt.
Genug der optischen Vergleiche – einsteigen und losfahren. Leichter gesagt als getan. Das Entern der beiden Superrenner artet zur Gelenkigkeitsübung aus, schließlich muss man sich bei beiden in tief gebückter Haltung über die breiten Seitenschweller in die noch tiefer positionierten Schalensitze winden. Einmal dort angekommen, steigt die Hochachtung vor diesen Sportgeräten nochmals an. Sitzt man in dem Italiener, sieht man weder das Ende der Front noch nach schräg hinten auch nur das Geringste. Selbst der Blick aus den schmalen Seitenfenstern bringt nicht gerade den gewünschten Panoramablick.
So eingepfercht – in ein Meer aus Leder zwischen flacher Frontscheibe, breitem Mitteltunnel, Seitenschweller, Lenkrad und Motorschottwand – fühlt sich der Fahrer auf einmal ziemlich einsam. Schließlich setzt er gleich 640 PS in Bewegung. Kontrollleuchten, deren Anzahl dem Bordcomputer eines Jumbo-Jets gerecht werden, eng skalierte Anzeigen und die Schaltwippen am Lenkrad fordern ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit. Die Adrenalinausschüttung ist im vollen Gange.
Da fühlt man sich im SLR 722 schon eher wie zu Hause. Die Instrumentierung ist rot hinterlegt, aber ansonsten typisch Mercedes und somit übersichtlich. Alcantara und Kohlefaser dominieren das Ambiente. Der Blick nach hinten ist im Gegensatz zum Murciélago zwar ausreichend, wo die unendlich lange und abfallende Motorhaube endet, entzieht sich allerdings ebenfalls jeglicher Vorstellung. Und diese beiden Supersportler beim Rangieren nur nach Gehör zu bewegen, scheint angesichts der „günstigen“ Preisgestaltung nicht unbedingt angebracht zu sein.
Mit einem schrillen Schrei erwacht der V12-Zylinder des Lambo zum Leben, während der V8-Kompressor des SLR nach dem Druck auf den Starterknopf dumpf grollend seine Arbeit aufnimmt. Kurze Stöße auf die Gaspedale machen die Geräuschkulisse noch dramatischer, und die immer noch dicht an die Autos gedrängte Menschenmasse stiebt beeindruckt auseinander. Wir entfliehen der Menge mit lautem Gebrüll unter deutlich erkennbaren Beifallsbekundungen.
In 3,9 s auf Tempo 100
Schon auf den ersten Kilometern kurviger Bergstraßen bekommen die Piloten eine Gänsehaut – selbstverständlich aus Wohlbehagen. Und es wird sehr schnell klar: Der LP640 ist ein Fahrerauto. Mit seinem Allradantrieb scheint er nahezu auf dem Asphalt zu kleben. Auf den geschwungenen Passstraßen lässt sich das wahre Leistungspotenzial des 640 PS starken Italieners aber nur annähernd ausloten, seine möglichen Längs- und Querbeschleunigungen kann man mit Worten nur schwer beschreiben.
Die nackten Messwerte geben aber deutlich Auskunft über die vorhandene Power: null bis 100 km/h in 3,9 Sekunden, bis 200 km/h in 12,0 Sekunden, 340 km/h Spitze. Und wer das Gaspedal kräftig durchtritt, stellt erschreckt fest, dass selbst der Allradantrieb und die breiten Hinterräder im Format 335/30 ZR 18 nicht vor dem Verlust der Haftung retten. Die Lenkung arbeitet direkt, und die gegen einen Aufpreis von 11600 Euro montierten Keramikbremsen packen brachial und spurstabil zu. Aus 100 km/h benötigt der Lambo nur 34 Meter bis zum Stillstand.
FAZIT: (Jürgen Schramek)
Kaum ein anderes Auto verdient den Titel Supersportwagen so eindeutig wie der Lamborghini Murciélago LP640. Hier gibt es schlichtweg keine Kompromisse. Er ist ein Monster, und man muss verstehen mit ihm umzugehen. Er beeindruckt mit irrwitziger Beschleunigung und einer unglaublichen Höchstgeschwindigkeit, mit Grip in Kurven und daraus resultierenden Kurventempi – bis zum unvermittelten Abriss der Haftung! Hier gibt es nur Schwarz oder Weiß. Anders der SLR 722: Er ist ein Supersportwagen mit dem Anspruch, auch reisetauglich zu sein, und er schlägt den Lambo sogar beim Sprint bis 200 km/h. Dafür ist er bei schnellen Kurvenfahrten wesentlich nervöser und agiert auch nicht so direkt bei Richtungswechseln. Wo einer der beiden auftaucht, ist immer Showtime angesagt. Aber genau das wollen die Besitzer ja auch – schließlich zahlen sie dafür einen hohen Preis.
Der ganze Artikel mit Fotos: http://www.autozeitung.de/online/render.php?render=0071533
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