Donnerstag, 22. Februar 2007

Autogazette.de: Interview mit Deutschland-Chef Werner Frey

Die deutsche Autoplattform Autogazette hat den Deutschland-Chef Werner H. Frey befragt. Frey spricht im Interview mit der Autogazette über die weiteren Ziele des italienischen Herstellers.

Zitat:
"Fiat will bis zum Jahr 2010 drei Millionen Fahrzeuge weltweit pro Jahr verkaufen. Mit gezielten Kooperationen sollen dabei «Territorien erschlossen werden, in denen Fiat nicht so gut vertreten ist. Neben Indien ist das besonders Russland und China», sagte Fiat-Deutschlandchef Werner H. Frey der Autogazette.

Dadurch soll die Trendwende, die nach den verlustreichen Jahren der Vergangenheit im letzten Jahr eingesetzt hatte, fortgeführt werden. «Es stehen uns gute Zeiten ins Haus. Das Management hat nach einer gründlichen Analyse einen Sanierungskurs eingeleitet. Wir haben innerhalb von zwei Jahren einen Schuldenberg von 9,4 auf 1,8 Milliarden Euro abgebaut. Begleitet wurde er von einer umfassenden Produktoffensive», so Frey.

Besonders mit den neuen Modellen wie Grande Punto, Alfa 159 oder dem gerade präsentierten Fiat Bravo soll zudem das Bewusstsein der potenziellen Kundschaft geschärft werden. «Es muss uns gelingen, mehr Menschen zu erreichen und ihre Wahrnehmung zu verändern. Es ist schwierig, einen ruinierten Ruf zu ändern. Aber wir beweisen inzwischen mit jedem neuen Auto, dass Fiat nun ein anderes Qualitätsverständnis hat, dass Fiat ein anderes Sicherheitsverständnis hat, dass Fiat andere Komponenten verbaut. Die Kunden, die wir gewinnen können, sind überzeugt davon.»

Autogazette: Herr Frey, Sie haben die Wende in der Autosparte geschafft, der Bravo wurde gerade als neuer Hoffnungsträger eingeführt. Sieht Fiat nach verlustreichen Jahren nun Goldenen Zeiten entgegen?

Werner H. Frey: Es stehen uns gute Zeiten ins Haus. Nach verlustreichen Jahren, die auf eine verfehlte Unternehmenspolitik zurückzuführen waren, hat das Management nach einer gründlichen Analyse einen Sanierungskurs eingeleitet. Begleitet wurde er von einer umfassenden Produktoffensive.

Autogazette: Hätten Sie zu Beginn des zurückliegenden Jahres gedacht, dass Fiat 2006 eine derartige Performance hinlegt?

Frey: 2004 haben die Experten nicht mehr viel auf Fiat gegeben. Heute sind wir die Gruppe, die am stärksten in Europa gewachsen ist. Wir haben innerhalb von zwei Jahren einen Schuldenberg von 9,4 auf 1,8 Milliarden Euro abgebaut. Wir haben 20 Prozent zugelegt. Wir sind wieder profitabel. Das Sorgenkind in allen Unternehmenssparten von Fiat war der Autobereich. Und nun sind wir seit 2005 wieder profitabel gewachsen. Die Fiat-Gruppe, also Fiat, Alfa Romeo, Lancia und die Transporter - haben in Deutschland um 30 Prozent zugelegt und wachsen auch in Europa. Doch wir wollen noch mehr, wir wollen weiter wachsen. Wir haben große Ziele.

Autogazette: Wo sehen Sie die Gründe für diesen Erfolg, insbesondere in Deutschland?

Frey: Es hat mit den Produkten zu tun. Sie sind das A und O. Und wir haben wieder Produkte, die unsere Kunden mögen, die sie anziehend und attraktiv finden. Und vor allem haben die Volumenmodelle wie der Grande Punto bei Fiat oder der Alfa 159 zu unserem großen Wachstum beigetragen. Aber wir haben auch Fahrzeuge wie den Brera oder den Spider, mit denen wir etwas für unser Image tun. Unsere Transportersparte ist die Nummer eins unter den Importeuren.

Autogazette: Während Fiat und vor allem auch Alfa Romeo im Absatz kräftig zulegten, stagnierte Lancia. Der Konzern bekennt sich derzeit zwar noch zur Marke, doch wie lange noch?

Frey: Der Konzern bekennt sich klar zur Marke, daran hat sich nichts geändert. Wir bringen bis 2010 insgesamt 23 neue Modelle auf den Markt - und Lancia ist ein Teil dieser Strategie. Den Delta haben wir im vergangenen Jahr auf dem Autosalon Paris gezeigt, auf den Markt kommt er jedoch erst 2008. Dennoch wollen wir Lancia dieses Jahres bei den Händlern besser aufstellen, auch wenn wir kein neues Produkt haben. In diesem Jahr wollen wir 3000 Lancia in Deutschland verkaufen. Dazu werden wir unser Händlernetz stärken, 200 neue Verkäufer einstellen, bisher haben wir schon 50 davon unter Vertrag genommen.

Autogazette: Resultieren die Neueinstellung aus dem andauerndem Streit zwischen dem Verband der Fiat- und Lancia-Händler?

Frey: An sich haben wir eine gute Stimmung. Wir müssen aber unterscheiden zwischen den Händlern und dem Verband. Da gibt es Reibungspunkte.

Autogazette: Stellen Sie die Situation nicht arg verharmlosend dar: Vertragshändlern soll offen gedroht worden sein, Kulanzleistungen zu streichen, wenn sie andere Vorstellungen über die Jahresabnahme äußerten. Zudem würden die Mitglieder mit möglichen Rechnungs- und Prämienprüfungen eingeschüchtert, die eine Abmahnung und fristlose Kündigung zur Folge haben könnten. Das kann doch nicht förderlich für das Image der Marke sein…

Frey: ...Das ist nicht gut, deshalb habe ich zuvor auf die gute Stimmung und den Unterschied zwischen Handel und Verband hingewiesen. Ich nehme die Sache sehr ernst. Ich sehe es auch als Attacke gegen meine Mitarbeiter. Tatsache ist: Wir haben tolle Produkte und ein ganz neues Qualitätsverständnis. Wir haben drei Ziele, an die wir uns sehr sklavisch halten. Das sind Wachstum, Profitabilität und Kundenzufriedenheit. Es gibt natürlich Händler, die stöhnen und sich an mich wenden. Darum kümmere ich mich persönlich. Aber 98 Prozent haben die Zielvorgaben unterschrieben. Was die Vorwürfe betrifft: Hier geht es um Händler, die im Aftersales-Bereich fremd einkaufen, aber trotzdem die Gewährleistung von Fiat in Anspruch nehmen möchte. So etwas geht nicht. Ich habe meinen Leuten aber gesagt, dass sie keinen Druck ausüben sollen, auch wenn hart gefightet wird. Die Händler sind unsere wichtigsten Kunden.

Autogazette: In wie weit schadet der Spruch «Fehler in allen Teilen», der seit Jahrzehnten in Deutschland als Abkürzung für Fiat galt, dem Image der Marke auch heute noch?

Frey: Ich kann Ihnen auch noch ein paar ganz andere aufzählen. - Ich bin ganz ehrlich: na sicher müssen wir noch dagegen ankämpfen. Aber wir beweisen inzwischen mit jedem neuen Auto, dass Fiat nun ein anderes Qualitätsverständnis hat, dass Fiat ein anderes Sicherheitsverständnis hat, dass Fiat andere Komponenten verbaut. Die Kunden, die wir gewinnen können, sind überzeugt davon.

Autogazette: Jetzt geht es darum, weitere Käufergruppen davon zu überzeugen...

Frey:...ja, es muss uns gelingen, mehr Menschen zu erreichen und ihre Wahrnehmung zu verändern. Es ist schwierig, einen ruinierten Ruf zu ändern. Aber wir haben gute Mittel, das zu mit unseren neuen Produkten zu schaffen. Wenn ich vor einem Cinquecento stehe, dann geht mir das Herz auf. Ich denke, wir werden viele Menschen gewinnen, die an die alten Zeiten vom Fiat 500 zurückdenken. Wir werden aber damit auch viele Menschen gewinnen, die mit der Vergangenheit überhaupt nichts zu tun haben. Das wird ein knuffiges, tolles Auto werden. So etwas gelingt Fiat wieder. Die Rote Laterne bei den TÜV-Statistiken der letzten zehn Jahre haben zudem andere übernommen. Darum ist es mir gar nicht bange, dass wir uns positiv entwickeln und gerade diese Wahrnehmung verändern können.

Autogazette: Wie kann so eine Qualitätsveränderung herbeigeführt werden?

Frey: Da zahlen sich die Kooperationen aus. Zum einen mit neuen Partnern, zum anderen mit Partnerschaften, die wir hinter uns gelassen haben. Da sind Qualitäten in die Fahrzeuge hereingekommen, die den Fahrzeugen gut taten und tun und die wir vorher nicht hatten. Andere Partner profitieren dafür von unseren Dieselmotoren.

Autogazette: Ist die Einführung des Cinquecento ein Hinweis, dass Fiat sich auf dem Weg zurück zur Kernkompetenz befindet, kleine und praktische Wagen zu bauen?

Frey: Nein, denn wir haben schon eine gewisse Bandbreite mit unseren vier Marken bis hin in den Premiumbereich. Mit Alfa und Fiat werden wir sowohl im oberen als auch im unteren Segment wachsen, mit Lancia werden wir uns weiter bewegen. Und im Transportbereich wird der neue Scudo gut einschlagen, das zeigt bereits der Zuspruch. Wir werden wachsen wie kein anderer Transportimporteur. Lassen wir uns Ende des Jahres von den Zahlen überraschen.

Autogazette: Bereits heute erreicht Fiat mit seiner Modellpalette einen CO2-Ausstoß von unter 140 Gramm pro Kilometer. Warum stellt man diese Kernkompetenz angesichts der Klimadebatte nicht deutlicher heraus?

Frey: Wir haben den Grenzwert heute schon geschafft dank unseres Portfolios mit einem hohen Dieselanteil. Wir haben in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Herstellern große Fortschritte gemacht. Auch wenn wir uns zukünftig mit weiteren Modellen breiter aufstellen, versuchen wir dort zu sein, wo wir heute sind, nämlich unter 140 Gramm.

Autogazette: Sie setzen zudem noch auf Erdgas. Ist das Ihr Weg in die automobile Zukunft angesichts knapper werdender fossiler Brennstoffe oder gibt es auch bei Fiat eine Zukunft mit Brennstoffzelle?

Frey: Fiat steht für bezahlbare Technologien, bei denen sich die Vorteile gleich rechnen. Bei Erdgasfahrzeugen rechnen sie sich. Mit dem Fiat «Panda Panda» bieten wir zudem ein einzigartiges Fahrzeug in dieser Klasse an, mit dem man sehr sparsam unterwegs ist. Wir wollen Technik anbieten, die sie heute einsetzen können. Die Tankstellen stellen sich ja mittlerweile darauf ein. Wir haben das breiteste Programm und die längste Erfahrung im Erdgasbereich, weil wir eben schon lange in Italien und Holland damit unterwegs sind.

Autogazette: Beim «Panda Panda» setzen Sie erstmals die Unterflurtechnik in der Kleinwagenklasse ein. Zuvor nahmen gerade in diesem Segment die Gasflaschen im Kofferraum soviel Platz ein, dass aus einem Punto quasi ein Zweisitzer wurde…

Frey: …ich räume gerne ein, dass es nicht immer die optimale Lösung gab. Aber es ist einfach eine Technik, die wir für Menschen anbieten, die umweltfreundlich unterwegs sein und sparen wollen. Da muss man manchmal Abstriche machen. Wir wollen aber immer die optimale Lösung finden und finden sie auch in den meisten Fällen. Vor allem versuchen wir, die Lösungen für eine gewisse Breite anzubieten, anstatt nur ein Fahrzeug mit Erdgas auszustatten wie andere. Wir setzen auf diese Antriebe.

Autogazette: Werden Sie noch andere alternative Antriebe anbieten?

Frey: Wir arbeiten daran. Aber es ist jetzt nicht so, dass wir sagen, in zwei Jahren kommen wir mit dem und dem Produkt auf den Markt. Es ist wichtig, dass man bezahlbare Technologien bietet, mit denen man unterwegs ist. Wir können uns natürlich auch ein Elektroauto vorstellen und sagen, das ist das Nonplusultra. Wenn es aber erst in zehn Jahren serienreif ist, nützt es im Moment wenig.

Autogazette: Mitbewerber sagen, dass sie mit einem Elektroauto in drei, vier Jahren auf den Markt kommen.

Frey: Bis 2010 werden wir bestimmt nicht ein solches Auto haben. Wir haben einen klaren Fahrplan mit unseren sparsamen Benzinermotoren und unseren Techniken. Wir arbeiten weiter an unseren Dieselmotoren. Das sind die nahe liegenden Probleme.

Autogazette: Sie schaffen in Indien Arbeitsplätze, indem sie ein Billigauto zum Preis von umgerechnet 2200 US-Dollar zusammen mit ihrem Partner Tata anbieten. Was lässt sich mit einem solchen Auto denn noch verdienen?

Frey: Wir sollten schon an jedem Produkt, das wir produzieren, Geld verdienen. Das ist ja auch die Ausrichtung des neuen Managements. In den letzten eineinhalb Jahren haben wir 13 Kooperationen geschlossen. Wir haben dabei zwei Zielrichtungen. Zum einen wollen wir Partner finden, mit denen wir in Territorien zusammenarbeiten, in denen Fiat nicht so gut vertreten ist. Neben Indien ist das besonders Russland und China. Wir wollen bis 2010 wieder bis auf drei Millionen verkaufte Einheiten pro Jahr wachsen. In diesen Märkten verfügen wir entsprechend über Potenzial. Andere Kooperationen verfolgen das Ziel der technischen Zusammenarbeit wie zum Beispiel mit Ford Europe. Dort basieren der Cinquecento und der Ford Ka auf einer Plattform. Wir haben dadurch eine große Flexibilität geschaffen.

Autogazette: Das Billigauto wird also Ihre Speerspitze auf dem stark wachsenden asiatischen Markt?

Frey: Wie das Ergebnis der Zusammenarbeit mit Tata Motors aussieht, muss abgewartet werden. Dann wird entschieden, ob das Auto weiter exportiert wird oder in Indien verbleibt. Wir versuchen aber jetzt auch schon, unsere aktuellen Produkte im Rahmen dieser Zusammenarbeit zu verkaufen.

Das Interview mit Werner H. Frey führte Thomas Flehmer" Zitat Ende!

Hier der Link zum ganzen Interview: http://www.autogazette.de/artikel_537455_1.htm

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