Freitag, 17. August 2007

AR-Toskana-Reise mit Alfa Spider

In der aktuellen Automobil Revue-Ausgabe wurde ein sehr interessanter Artikel zum "Reiseziel Nostalgie" veröffentlicht. In dem Artikel geht es um die Leserreise Ende Juni in die Toskana, die der Reiseveranstalter Nostalgic Deutschland mit historischen Alfas organisierte.

Der Text in Auszügen:
"Am Lenkrad eines der legendären Giulietta Spider wird eine Toskana-Reise zum ganz besonderen Vergnügen. Nostalgic macht diesen Traum für Freunde des aktiven Dolce Vita wahr. Im Juni «träumten» ihn auch AR-Leser.

Filigranes Lenkrad in der Giulietta. Darunter der Hebel für die Handbremse, darüber Runduhren u.a. für Kühlwassertemperatur.

Abfahrt aus dem regnerischen Bern – die Gedanken sind bereits im sonnigen Süden. Das Ziel? Castellina in Chianti, ein schmuckes Dorf mit römischen Dachziegeln, rund 25 km nördlich von Siena. Die Hinreise bietet Gelegenheit für rund 800 km Fahrt im neuen Alfa Spider. Auf der anderen Seite der Alpen herrscht sommerliches Wetter, die Autobahnen sind Ende Juni noch relativ frei.

Vom Jetzt ins Gestern
Ob offen oder geschlossen, die Klimaanlage sorgt für angenehme Frische trotz 30°C Aussentemperatur. Der funkelnagelneue Mailänder lässt die lange Reise zur reinen Formsache werden. Die gute Geräuschisolation und die vorbildlichen Sitze machen den 200-PS-Diesel-Roadster zu einem perfekten Reisefahrzeug. Umfahrung Florenz, Zahlstelle, einige Kurven auf einer Landstrasse mit neuem Belag mitten durch Olivenhaine: Die Reise dauerte 8 Stunden. Vor 50 Jahren – undenkbar! Genau ein halbes Jahrhundert trennt «unseren» Spider mit Partikelfilter und Xenon-Scheinwerfern von den Giulietta Spider, die, perfekt auf dem Kies aufgereiht, vor dem Hotel «Il Borgo di Vescine – Relais del Chianti» auf uns warten.

An diesem abgeschiedenen, in die Hügel eingebetteten idyllischen Ort wird man sich bei einem direkten Vergleich zwischen Neu und Alt bewusst, welche Epoche zwischen diesen beiden Schöpfungen von Pininfarina liegt. Der Spider 2007 baut auf dem von Giugiaro gezeichneten Brera auf und lässt mit seinen Abmessungen den alten Spider, der seinerseits vom Giulietta Coupé von Bertone abgeleitet wurde, zierlich-filigran erscheinen. Ein Wettstreit zwischen Carrossiers gestern ebenso heftig wie heute.

Tim Wasnick und Lisa Eisenbach von Nostalgic empfangen das Dutzend Teilnehmer. Die Begeisterung für historische Alfas am ersten Essen dieses verlängerten Wochenendes ist sozusagen greifbar. Max ist mit Frau und eigenem Spider Veloce aus München angereist. Ihr Bijoux befindet sich in ausgezeichnetem Zustand. «Eines der letzten Exemplare, gebaut 1965 und immer mit Michelin-Weisswandreifen ausgerüstet», wie er unterstreicht. Joe und Marianne sind aus Bern mit ihrem Spider (Duetto) mit Jahrgang 1985 ebenfalls direkt zum Treffpunkt gekommen.

Am nächsten Tag kann man sich einigen der Perlen von Nostalgic eingehend widmen. Sechs der insgesamt 19 Fahrzeuge dieser Firma stehen, zur Parade aufgereiht vor dem Hotel. Darunter ein seltener 2600 Spider Touring. Sein Reihensechszylinder mit drei Solex-Doppelvergasern ermöglichte dem Spider mit 145 PS eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h, eine Anfang der Sechziger bewundernswerte Leistung. Für den Fall der Fälle steht ein Ducato-Transporter als Pannenhelfer bereit.

Endlich gehts los. Der jüngere Giulia Spider 1600 unterscheidet sich optisch vom Giulietta 1300 durch die breite Lufthutze auf der Motorhaube und durch das Dreispeichen-Lenkrad. Beide Modelle sind einfach zu fahren. Aber ein dosierter Zwischengasstoss empfiehlt sich beim Zurückschalten vom 3. in den 2. Gang, zwecks Schonung der Synchronringe.
Einfachheit und Zweckmässigkeit herrschen im Cockpit vor: Keine Sicherheitsgurten, keine verstellbare Rückenlehne. Ein Zugschalter für die Scheinwerfer, ein Zuggriff unter der Lenksäule für die Handbremse. Ja, einen Choke gibt es selbstverständlich auch, bei den herrschenden sommerlichen Temperaturen braucht er aber nicht betätigt zu werden. Man sitzt tief unten mit ausgestreckten Beinen hinter dem grossen Bakelit-Lenkrad. Angesichts des für die Zeit grosszügig bis 8000/min reichenden Veglia-Drehzahlmessers (der Alu-DOHC dreht über 6000/min) beginnt der Virus sofort zu wirken. Der Sechzehnhunderter «unseres» roten Giulia übertönt mit seinem sonoren, rauen Brummen praktisch das Zirpen der Zikaden. Die Kupplung ist leichtgängig, die Lenkung mit Schnecke und Rolle geht eher schwer. Einige hundert Meter Fahrt genügen, um sich wohl zu fühlen – bis zum ersten Bremsmanöver. Die Girling-Scheibenbremsen erweisen sich als blosse Verzögerer. Kenner bevorzugen denn auch die Dreibacken-Trommelbremse der Giulia mit Baujahr vor 1964.
Der Vollaluminium-Vierzylinder mit zwei oben liegenden Nockenwellen holt 92 PS aus einem Hubraum von exakt 1570 cm3 und sorgt im leichten Spider für viel Temperament. Wer eine nervöse, spitz reagierende Mechanik erwartet hat, wird überrascht von einem kräftigen, aber ausgesprochen durchzugsstarken Motor, der problemlos im Dritten aus Kurven heraus beschleunigt. Um die Fahrt durch die herrliche Landschaft zu geniessen, braucht man kaum schneller als 80 km/h zu fahren.
Die Roadbook-Route ist beschaulich, ihre Strassen praktisch leer. In den Dörfern wird uns sogar zugewinkt – etwas Magisches begleitet diese Alfas! Drei Tage cruisen mit dem Duft der Zypressen in der Nase.

Tadellos organisiert
Mit gesamthaft 300 km Fahrstrecke bleibt jedem genügend Zeit, sich hinter das Lenkrad jedes Modells zu schwingen und gegenseitig Erfahrungen auszutauschen. Aber der Fahrplan muss eingehalten werde. Einige Fotostopps, ein kurzer Halt bei der Gelateria an der Ecke, und weiter gehts.
Nostalgic legt auch grossen Wert auf den kulturellen und gastronomischen Aspekt seiner Reisen, die der Region und der Jahreszeit entsprechend angepasst werden (vgl. Programm). Auf unserer Reise waren dies eine Besichtigung eines Weinkellers, die Entdeckung eines Benediktinerklosters aus dem 13. Jahrhundert – hier wurden Teile des Films «Der englische Patient» gedreht, u.a. mit Juliette Binoche und Ralph Finnes – und ein geführter Rundgang durch Siena mit dem Corso der 17 Contradas, Vorboten der berühmten Pferderennen rund um den Palio (Juli und August).
Der Abend gilt jeweils den Tafelfreuden, gefolgt von einer verdienten Nachtruhe. Was bleibt, ist das leichte Kribbeln im rechten Fuss, Zeichen eines nostalgischen, erlebnisreichen Abenteuers.

Den Artikel finden Sie in der Ausgabe 33/2007 der «Automobil Revue», welche Sie natürlich auch online abonnieren können.

http://www.automobilrevue.ch/artikel_20143.html

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