Freitag, 14. November 2008

Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann im Interview der Automobilrevue

In der letzten Automobilrevue der Schweiz hat es ein interessantes Interview mit Stephan Winkelmann, seit knapp vier Jahren ist der 45jährige an der Lamborghini-Spitze. Im Gespräch mit der AR äussert er sich unter anderem über den Gang des Mode-Labels Arti Marca und die Daseinsberechtigung von Vollgasmarken.

einige Zitate:
Herr Winkelmann, Ihr Haus expandiert wie nie zuvor: Allein von Januar bis Oktober 2008 wurden weltweit 14neue Händler rekrutiert ...

Stephan Winkelmann - Ja, und wir machen so weiter, werden nächstes Jahr auch in Lateinamerika starten. Dort waren wir noch nie aktiv. Wir fangen in den mexikanischen Städten Monterey und Mexico City an, dann kommt Brasilien an die Reihe. Das Problem dort heisst Ethanol, und wir arbeiten aktuell daran, unsere Fahrzeuge entsprechend umzurüsten, um sie homologieren zu können.

Modelltechnisch ist Lamborghini gut aufgestellt. Auch die Reaktionen auf den Estoque waren durchweg positiv...

Ohne überheblich klingen zu wollen: Wir hatten das auch erwartet. Jeder, der das Auto vorher sah, war begeistert und ging davon aus, dass es auch gebaut wird. Es handelt sich aber um ein reines Konzept – eine gesunde Übung, um zu testen, wie die Marke ankommt, und zwar ausserhalb des extremen Supersportwagensegments. Das ist offenbar sehr gut gelungen. Es hat sich ausgezahlt, dass wir in den letzten Jahren viel in die Marke investiert haben. Unsere Basis ist heute viel breiter, aber der Estoque passt auch gut zur Marke: Er ist sehr sportlich und in einem Segment zu Hause, das weltweit existiert. Uns ging es um den Brückenschlag zwischen einem Coupé, einem Familienauto und einem Chauffeur-tauglichen Fahrzeug. Ich glaube, mit diesem einen Wurf ist für jeden das Richtige dabei. Das Auto sieht nicht nur sehr gut aus, es ist auch glaubwürdig. Das ist das Wichtigste.

Teure Luxuslimousinen boomen derzeit: Da gibt es den Maserati Quattroporte, Aston Martin bereitet den Rapide vor, vorher lanciert Porsche den Panamera, weitere Modelle werden folgen...
Ja, aber wir würden dort beginnen, wo die anderen aufhören. Es würde keine Überlappungen mit bereits existenten oder künftigen Konkurrenten geben.

Das klingt doch ganz so, als dürften wir demnächst mit einem Serienmodell rechnen. Und die in Paris angesprochenen Antriebsalternativen wären Teil des Pakets, sollte es überhaupt dazu kommen?
Wie Sie richtig sagen, handelt es sich um ein reines Konzept, zu dem es bisher keine Entscheidung gibt. Aber natürlich, wenn man nachdenken würde, kämen ganz andere Motoren zum Einsatz als jene, die wir heute gewohnt sind.

Seit über zehn Jahren gehört das Haus zu Audi; Sie sind seit 2005 Lamborghini-Präsident. Wenn Sie jetzt Bilanz ziehen müssten – wie lautete Ihr Fazit, und wo geht die Reise hin?
Die Bilanz ist durchweg positiv; auch meine letzten Jahre sind sehr erfolgreich verlaufen. Wir haben eine solide Produktpalette – es ist die breiteste, die Lamborghini je besessen hat. Und wir haben den Anspruch, jedes Jahr ein neues Modell auf den Markt zu bringen. Das übererfüllen wir zurzeit. Des Weiteren wollen wir weiterhin weltweit aktiv sein, wollen weniger abhängig sein von lokalen wirtschaftlichen Turbulenzen oder Währungsschwankungen. Deswegen wollen wir in den drei Hauptregionen Amerika, Europa und Asien-Pazifik auch gleichmässig vertreten sein. Das alles gepaart mit einer breiteren Aufstellung der Marke – nicht nur was das Kerngeschäft Entwicklung, Produktion, Verkauf von Fahrzeugen angeht, sondern auch in Bereichen, die eine starke Marke mit sich bringen kann. Das reicht von Kundenerfahrung, zum Beispiel unserer Driving Academy, über Aftersales mit unserer Tochter Arti Marca zu neuerdings auch Consulting.

Was kann man sich unter Letzterem vorstellen?
Wir haben damit begonnen, unser Know-how anderen Firmen anzubieten – Stichworte sind Zwei- oder Allradtechnologie, Nutzung der Prüfstände oder Homologationshilfen.


Zurück zur Zukunftsstrategie: Neben dem Automobilgeschäft wird es also künftig drei zusätzliche Bereiche geben...
Und einen vierten: Wir wollen zurück in den Motorsport.

Wo Lamborghini seit 1996 zweimal offiziell mit eigenen Rennserien aktiv war...
Richtig. Motorsport bietet eine Plattform, auf die wir künftig nicht mehr verzichten wollen. Die genannten Säulen-Strategie soll sicherstellen, dass Lamborghini die attraktivste Supersportwagenmarke werden wird, das bedeutet: Das Wichtigste sind unsere Kunden, die einfach das Gefühl haben müssen, etwas Ausserordentliches, sehr Seltenes zu kaufen. Darüber hinaus wollen wir natürlich hochprofitabel arbeiten, aber auch der beste Arbeitgeber im Sportwagenbau sein.

Wie wird man der beste Arbeitgeber und womit – in Bezug auf Ausbildungsmöglichkeiten, Karriere, Exklusivität?
Ein bisschen von alledem. Es gibt ja internationale Statistiken darüber, welcher Arbeitgeber was zur Verfügung stellt. Nun sind wir bestimmt noch nicht führend, spüren aber die steigenden Begehrlichkeiten in allen Abteilungen, haben viele Anfragen von hochqualifizierten Ingenieuren oder Betriebswirten. Das zeigt einmal mehr, dass wir als Marke sehr begehrt sind. So soll es bleiben, an dieser Erwartung müssen wir uns jeden Tag messen lassen. Lamborghini hat eine sehr junge Mannschaft. Das macht uns zuversichtlich, und wir wünschen, dass solche Leute bei uns bleiben.

Arti Marca, das Accessoire- und Mode-Label von Lamborghini, entwickelt sich offenbar gut: Die Kollektion wird ständig erweitert und auch wahrgenommen, nicht zuletzt wegen der unübersehbaren Stierlogos auf den Klamotten – sind Sie zufrieden?
Ich bin eigentlich nie zufrieden (lacht). Aber es stimmt; wir haben gute Schritte in die richtige Richtung gemacht. Arti Marca bringt inzwischen zwei Kollektionen pro Jahr heraus – Frühjahr-Sommer und Herbst-Winter. Für unser personell kleines Arti-Marca-Team ist das eine gewaltige Leistung; inzwischen wird die Ware schon ein Jahr im Voraus verkauft.

Wie funktioniert der Vertrieb – arbeitet Lamborghini da mit Zwischenhändlern?
Es gibt vier Kanäle – unabhängig von unserem Werksshop, der auch gut läuft. Zunächst einmal verkaufen die Händler mit, bieten dabei aber nur wenig Wachstum. Daneben haben wir Distributoren, die regional agieren und die Produkte in verschiedenen Geschäften absetzen. Auch wollen wir ein System mit eigenen Läden entwickeln – entweder exklusiv oder Shop-in-Shop in grossen Kauf- und Warenhäusern. Last but not least gibt es den Absatz im Internet, und der legt ständig zu. Wir haben darum kürzlich einen externen Partner gefunden, der das in Zukunft betreuen wird: Wir sind für diesen logistischen und zeitlichen Aufwand einfach zu klein.

Unsere letzte Frage ist bewusst provokant. Heute dreht sich ja scheinbar alles um CO2 oder NOx: Haben Vollgasmarken wie Lamborghini noch eine Daseinsberechtigung?
Ein Teil der Antwort dreht sich zunächst einmal um den Standort. Wir sind ein italienischer Anbieter und werden es bleiben. Zu einer Luxusmarke gehört, Wurzeln zu haben und diese auch zu kennen. Schauen Sie sich nur die vielen Besucher an, die unser Werk sehen wollen – das werden wir nicht aufgeben. So viel zu genannten Produktionsverlagerungen Richtung Osten, die ja das Problem nicht lösen: Diskutiert wird heute nur über die bösen europäischen Hersteller, und das mit kurzsichtigen Argumenten. Tatsache ist aber auch, dass der asiatische Markt immer wichtiger wird – für alle Autohersteller, unabhängig von einer CO2-Diskussion. Also ja: Ich glaube, Luxussportwagen haben auch weiterhin eine Existenzberechtigung. Wir haben bereits sehr viel getan, nicht nur, was die Emissionsreduzierung angeht – allein beim neuen Gallardo sind es 18% weniger CO2. Wir denken auch an Energieeinsparungen in der Produktion. Es gibt interessante Ideen, an denen wir fieberhaft arbeiten und sie öffentlich machen, sobald es soweit ist. Unser grosses Thema ist, die Kernwerte der Marke zu erhalten und gleichzeitig sozial verträglich gegenüber Menschen zu sein, die keinen Lamborghini haben.
Der Link zum ganzen Interview:
http://www.automobilrevue.ch/artikel_26574.html

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