Donnerstag, 25. Oktober 2007

Automobil Revue fuhr den Alfa Romeo 8C Competizione

Automobil Revue fuhr den Alfa Romeo 8C Competizione
Die Automobil Revue der Schweiz fuhr in Balocco den neuen 8C Competizione. Die Begeisterung für den schnelles Super-Alfa ist dem Text zu entnehmen, der Autor freut sich über den Alfa mit grossem Liebhaberwert.

Der Artikel in Auszügen:
"Das war eine echte Überraschung: Als der Alfa Romeo 8c Competizione im Herbst 2003 (und damals noch mit kleinem «c») in Frankfurt gezeigt wurde, rieben wir uns verwundert die Augen (AR 38 und 51/2003). Denn diese Studie sah so unverschämt gut aus, dass es sich eigentlich nur um ein Einzelstück handeln konnte, das niemals in Serie gehen würde.
Tatsächlich haben die Markenvorstände lange hin und her überlegt, bestätigt und wieder dementiert, das Flehen der Alfisti aber letztlich erhört. Die Italiener zeigten auf dem Pariser Salon 2006 die Serienversion des 8C und bringen ihn optisch nahezu unverändert auf die Strasse – wenn auch mit ziemlicher Verspätung und nur in neiderregenden Dosen: Es gibt insgesamt 500 Autos, basta. 35 von ihnen werden (trotz dreifacher Nachfrage!) ab Ende Jahr in der Schweiz erwartet. Sie sind natürlich schon seit Monaten vergriffen – allerdings auch eine Menge, wenn man bedenkt, dass England nur 41 Autos bekommt. In Nordamerika, wohin Alfa Romeo nach über 15 Jahren Abstinenz Mitte 2008 zurückkehren will, sollen 90 Exemplare des 8C als Absatzbeschleuniger wirken.

Sicher nährt ein Nimbus der Unerreichbarkeit auch Begehrlichkeiten und damit das Markenimage. Dafür sorgt schon der Name des rassigen Zweisitzers: 8C – das steht natürlich für otto cilindri, also acht Zylinder. Und bei Alfa für eine Epoche, in der die Marke noch in kleinsten Stückzahlen und auf Kundenwunsch fertigte. 8c, so hiessen in den Dreissigerjahren die blaublütig-reinrassigen Sportwagenmodelle des Hauses, und sie gewannen mit ihren sagenhaften Reihenachtzylindern nahezu jeden Pokal. Heute gehören sie zu den teuersten Alfa Romeo, die es gibt.
Nun besinnt man sich ja gerne zurück, wenn es gerade etwas finster aussieht, so auch bei Alfa. Mit der Studie versuchten die Milanesen vor vier Jahren bekanntlich ihr damals ramponiertes Markenimage aufzupolieren. Doch anders als die Zusatzbezeichnung «Competizione» suggeriert, ist der 8C kein Rennauto für die Piste, sondern als reiner Strassensportwagen konzipiert. Dass er nun tatsächlich gebaut wird, könnte von Skeptikern gar als halbherziges Einlösen einer Bringschuld interpretiert werden.
Doch weit gefehlt. Was Alfa hier auftischt, ist keine pappige To-go-Pizza im schick-bunten Karton, sondern Penne rabbiata, gekonnt zubereitet mit den allerfeinsten Zutaten – und dazu heiss dampfend serviert.

Nicht alle wohlfeilen 8C-Komponenten stammen dabei von Alfa selbst: Der Über-Alfa basierte ursprünglich auf dem steifen Stahlchassis des Konzernbruders Maserati Coupé GranSport, von dem er auch den Radstand geerbt hat. In der Zwischenzeit hat man hier und da modifiziert, alte Maserati-Komponenten (4,2-Liter-V8) gegen aktuelle (4,7 L) eingetauscht. Die offizielle Alfa-Diktion lautet: Beim endgültigen Auto handelt es sich um einige modifizierte Maserati-Plattform- und -Antriebsteile des GranTurismo (AR 30/2007).
Darüber hinaus gibt es Anleihen bei Ferrari: Schliesslich ist der Maserati-V8 mehr oder weniger jenes Aggregat, das in Maranello hergestellt wird und natürlich auch dort zum Einsatz kommt. Die sequenzielle Cambiocorsa-Schaltung des 8C entspricht (inklusive Elektronik) weitgehend dem Ferrari-F1-System der Modelle F430 und 599, während die Untersetzungen wiederum aus dem Maserati Quattroporte übernommen und angepasst wurden.
Einige Alfa-Mitarbeiter verziehen bei solchen Themen leicht gequält das Gesicht – warum eigentlich? Alfa Romeo wurde 1910 gegründet und ist damit 16 Jahre älter als Maserati; den Cavallino Rampante gibt es gar erst seit 1947. Italiens automobile Kronjuwelen gehören längst und allesamt zu Fiat. So gesehen ist es gar nicht schlimm, dass auch die Karbon-Sitzschalen des 8C aus dem Ferrari Enzo (bzw. Maserati MC12) stammen. Im Alfa sind sie freilich neu bezogen, wahlweise sogar mit schmuckem Flechtleder.

Der 8C Competizione entsteht in mehreren Schritten und an verschiedenen Orten. Die «Hochzeit» von Chassis und Motor erfolgt in der Spezialabteilung «Costruzioni Sperimentali» des Fiat-Werks Mirafiori in Turin. Parallel liefert ATR in den Abruzzen die Kohlefaserkarosserie; sie wird von Imperiale nahe Modena lackiert. Die Endmontage von Rolling Chassis und Aufbau, die zusammen eine äusserst steife Einheit bilden, findet abschliessend bei Maserati statt.
Was nach Patchwork klingt, ist ein komplexer Prozess, und das Ergebnis spricht für sich. Nicht zuletzt soll das Design zu 100 Prozent aus dem Centro Stile Alfa Romeo stammen. Die 8C-Dimensionen haben sich mit den Jahren freilich geringfügig geändert: Die Kleinserie weist gegenüber dem Concept Car einen 5 cm längeren Radstand auf; die Länge wuchs um 10 und die Höhe um 9 cm.
Der Schönheit tut das keinen Abbruch: Das Sportcoupé wirkt kraftvoll und ästhetisch, seine Proportionen und auch die Verarbeitung stimmen. Dazu kommen optisch ungewöhnliche Reize wie die sich nach oben verbreiternden A-Säulen oder eine (nur scheinbar) kreisrunde Heckscheibe, deren Thema sich in den Rückleuchten wiederholt. Kurz: Man mag sich gar nicht satt sehen an diesem Prachtstück!
Doch genug geschwärmt: Wir haben über 48 Monate lang ungeduldig gewartet und wollen jetzt endlich den Startknopf betätigen. Im Kleinserienmodell sitzt er in der Mittelkonsole, die ebenso aus Karbon- und Alu-Elementen zusammengefügt ist wie der Rest des Cockpits. Einen Schalt- oder Handbremshebel sucht man vergebens: Der 8C ist auch ein Kind der Neuzeit; die erforderlichen Fahrhhilfen-, Getriebe- und Parkeinstellungen erfolgen per Wippschalter oder Taste in der unteren Mittelkonsole.
Beim Druck auf die Zündung lenzt die Benzinpumpe zunächst jammernd vor sich hin, bis der Achtzylinder abrupt und dumpf bellend erwacht. Dieser Klang stellt die Nackenhaare auf und ist schwer zu beschreiben – nur so viel: Künftige 8C-Nachbarn brauchen morgens keinen Wecker, denn der Alfa entfaltet die spontane Wirkung von fünf doppelten Espresso. Mamma mia, was für eine herrliche, unvernünftige Geräuschkulisse! Und das ist erst der Auftakt, denn ab etwa 4000/min (oder schon vorher im Sportmodus) blasen die Bypassventile der Auspuffanlage zum Open-Air-Konzert.
Der 8C klingt nicht nur hervorragend, er fühlt sich auch gut an. Die Ergonomie passt so wie die Sitzschalen, die es in drei verschiedenen Grössen gibt – theoretisch. Weil der 8C nur direkt von Alfa Romeo Italien vertrieben wird, ist grundsätzlich die XXL-Version montiert, sind Anproben nur dann möglich, wenn die verehrte Kundschaft persönlich vorbeikommt. Nun ist Italien ja immer eine Reise wert, und die handverlesenen Käufer werden das ebenso verschmerzen wie den aufpreispflichtigen Erste-Hilfe-Kasten (siehe Optionen). Ohnehin dürfte kaum ein 8C «nackt» ausgeliefert werden: Bei Alfa rechnet man damit, dass jeder Kunde im Schnitt weitere 50000 Franken in das Auto investiert, und hat die Liste der Sonderausstattungen entsprechend angelegt. Für Normalsterbliche klingt das recht stark nach unverschämter Preispolitik, doch glückliche 8C-Empfänger dürften sich kaum daran stören. Auch nicht am Kofferräumchen, denn unter der aufklappbaren Heckscheibe macht sich der Kraftstofftank breit. Um der Verlegenheit abzuhelfen, bietet Alfa ein massgefertigtes Lederkofferset an.

Dass der Tank vor der Hinterachse platziert ist, hat natürlich einen Grund – die optimale Gewichtsverteilung zwischen den Rädern. Der Motor des 8C sitzt hinter der Vorderachse, während das Getriebe vor der Hinterachse (Transaxle) angeordnet ist – ein Antriebskonzept, dem auch die amerikanische Corvette folgt. Das Ergebnis ist eine ausgewogene Balance (beim 8C sind es 49/51 Prozent vorne/hinten), die der Fahrdynamik zugute kommt. Die tiefe Anordnung von Motor und Getriebe tut da ein Übriges.
Auf den ersten Metern fällt zunächst das relativ grosse und dicke Lenkrad auf, an das man sich aber schon nach wenigen Metern gewöhnt hat – zumal es Richtungsbefehle sehr präzise umsetzt: Der 8C folgt seinem Fahrer willig und verzögerungsfrei, lässt sich punktgenau dirigieren.
Solche Eindrücke schaffen Vertrauen, wecken schnell Lust auf mehr. Wie es sich für einen Hochleistungs-Sportwagen gehört, ist Kraft im Überfluss vorhanden. Die Maschine hängt gierig am Gas, dreht spielerisch bis 7500/min hoch, doch schon ab 2000 Touren sind 80 Prozent des Drehmoments verfügbar.

Trotz seines satten Klangteppichs – wer hier Radio hört, ist selber schuld – gibt sich der 8C sehr kultiviert: Im Automatikprogramm schaltet er ruckfrei hoch und runter, Letzteres erfolgt mit perfekt abgestimmtem Zwischengas. Durchdrehende Räder wollen provoziert werden; die Reifen scheinen zu kleben, und bei höherem Tempo saugt sich das Auto förmlich am Asphalt fest. Sein Fahrwerk bietet die richtige Mischung aus Härte und Komfort.
Natürlich lässt sich der 8C auch mit dem rechten Fuss lenken. Einen Hang zum Untersteuern hat er wahrlich nicht, doch bleibt er mit eingeschalteter Traktionskontrolle ganz brav und leicht beherrschbar. Ist ESP allerdings deaktiviert und der Sportmodus eingeschaltet (letzteres halbiert u.a. die Schaltzeiten von 0,4 auf 0,2 s), sind Lenkradvirtuosen mit schnellen Reaktionen gefragt. Die haben ihren Spass in diesem gekonnt abgestimmten Driftinstrument: Wirklich bemerkenswert, was Alfa Romeo hier auf die Räder gestellt hat!
Der 8C läuft laut Werk von 0 auf 100 km/h in 4,2 Sekunden, und unsere Messungen betätigen das. Auch der ermittelte Bremsweg von glatt 32 Metern (100–0 km/h) ist ein Topwert.
Die Domäne des 8C ist freilich schnelle Fortbewegung: Grip und Geradeauslauf lassen auf trockener Strasse auch bei zügig steigendem Tempo nicht nach. Die Höchstgeschwindigkeit wird von Alfa mit 292 km/h angegeben – offenbar aus Rücksicht auf Ferrari, denn der 8C soll, wie man uns zuraunte, locker über 300 laufen.
Multo bene, nein – fantastico! Wir wollen gar nicht mehr trennen von diesem Auto, denn ein Wiedersehen wird es so schnell kaum geben.

Die bedingungslose Leistungsbereitschaft des 8C ist allerdings auch ein Problem für Alfa Romeo. Alle anderen Sportmodelle des Hauses, die GT, Brera oder Spider, sie wirken neben dieser automobilen Offenbarung schwerer, unsportlicher, müder als ohnehin schon. Da braucht es schon viel Fantasie und guten Willen, um über die optische Verwandtschaft hinaus Gemeinsamkeiten zu entdecken.
Aber wir wollen positiv denken. Und den 8C deshalb als Chance begreifen für eine Marke, die noch weiss, wie es geht. Und deren traditionsreiches Wappen wieder hell strahlen kann, wenn man sich nur ausreichend Mühe gibt.
Hoffnung gibt es auch für alle Enttäuschten, die den 8C zu spät bestellt haben: 2009 folgen weitere 500 Fahrzeuge, denn Fiat-Group-CEO Sergio Marchionne hat kürzlich den Bau des 8C Spider betätigt. Das hört sich doch nach einer weiteren Probefahrt an – und dafür sagen wir jetzt schon mal grazie!

Den Artikel finden Sie in der Ausgabe 43/2007 der «Automobil Revue», welche Sie natürlich auch online abonnieren

http://www.automobilrevue.ch/artikel_20342.html

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