Dienstag, 23. Oktober 2007

Der Traum der Alfisti - NZZ über den 8C

Die NZZ am Sonntag hat den 8C vorgestellt und einen interessanten Artikel geschrieben: Alfa Romeo hat mit dem 8C Competizione wieder einen Eyecatcher, der Ferrari und andere Marken verblassen lässt.

Vor rund 100 Jahren machte sich die Società Anonima Lombarda Fabbrica Automobili daran, den Italienern eine Sportwagenmarke zu schenken − im Februar 1918 kam dann noch der Unternehmer Nicola Romeo hinzu, der den Fahrzeugen von November 1918 an den Namen Alfa Romeo verschrieb. Und seit rund 100 Jahren ist der Ruf des Hauses nicht zu erschüttern. Dafür sorgten Tausende von Siegen auf den Rennstrecken und Modelle, deren Ästhetik einen noch heute in den Bann schlägt: 6C 1750, 8C 2300, 8C 2900, Villa d'Este oder Giulia. Eine auf Ästhetik und Leidenschaft basierende Folie, die klaglos auch manch fragwürdiges Modell des Hauses überdauerte − Alfisti können leiden.

Kein Wunder, dass der Prototyp eines Super-Coupés, mit dem Alfa Romeo vor ein paar Jahren für etwas Aufmerksamkeit sorgen wollte, zwangsläufig von den Alfisti herbeigesehnt und von der Presse herbeigeschrieben wurde. Dafür war der 8C Competizione zu schön geworden, und der unter der eleganten Motorhaube tobende Maserati-Achtzylinder versprach auch adäquate Fahrleistungen im Ferrari-Revier. Gott sei Dank begriff das Management, dass dieses wilde Tier seinen Teil zur Mythenbildung beitragen konnte, und man begann, die Studie in ein allerdings leicht gezähmtes Serienmodell zu verwandeln, wenn man bei einer Stückzahl von 500 Exemplaren von einer Serie reden darf.

Es wundert auch nicht weiter, dass sich über Alfa sofort eine Flut von Kaufanträgen ergoss und gestandene Männer um die Zuteilung des immerhin 237 000 Franken teuren Competizione baten, die es sonst eher gewohnt sind, Wünsche schon vor deren Äusserung devot erfüllt zu bekommen. Dass es dabei Tränen geben würde, war klar: Ganze 35 Fahrzeuge kommen in die Schweiz − die Zahl der Bewerber lag jedoch im dreistelligen Bereich. Und so machten sich Prüfer daran, die echten Alfisti von denjenigen Bewerbern zu trennen, die nur ein kurzes Verhältnis und einen dicken Gewinn beim Weiterverkauf im Sinn hatten.

Nun durfte der Stolz des Hauses erstmals auf dem Testgelände von Balocco gefahren werden. Und der Klang des heiser bellenden Achtzylinders drang schon aus weiter Ferne ans Ohr, wenn er − bei 7500 Umdrehungen pro Minute an den Drehzahlbegrenzer getrieben − dank dem sequenziellen Sechsganggetriebe in Sekundenbruchteilen im nächsten Gang weiterbeschleunigt. Noch schöner das Herunterschalten: Hier bellt der 450 PS starke 4,7-Liter-Achtzylinder kurz auf, trompetet dazu ein paar Fehlzündungen in die Luft, um nahtlos weiterzueilen. Allein dieser Motorklang samt den Begleitgeräuschen genügt, um süchtig zu werden. Daneben klingt jeder Ferrari-Achtzylinder metallisch und zu hart. Kein Wunder, dass die Käufer derzeit um eine CD betteln, um den Klang bereits vorab geniessen zu können.

Dann steht man vor dem erstaunlich kompakten Coupé und versteht, warum Wolfgang Egger, der Designer dieses Wagens, von Audi abgeworben wurde: Die Proportionen sind perfekt, die Front ist hinreissend, das Heck nahezu unanständig schön, und die nach oben gezogenen Seitenscheiben lassen die Insassen wie in einer Trutzburg sitzen, die mehr Blick nach aussen denn nach innen gewährt. Für dieses Gefühl der Sicherheit sorgt auch der konsequente Einsatz von Kevlar: Hier besteht nicht nur die Karosserie aus dem sündhaft teuren Material, sondern auch das Interieur, was nach Leder dürstenden Interessenten aufstossen dürfte, doch den Eindruck der Fahrmaschine nur verstärkt.

Wenn man in den ausgeprägten Schalensitzen (auch aus Kevlar) auf edlem Leder Platz genommen und die aus Aluminium gegossenen Knöpfe und Schalter verstanden hat, sorgt der Druck auf den Anlasserknopf für eine Klangkulisse, wie sie früher auf Rennplätzen zu Hause war. Und der Tritt aufs Gaspedal liefert Fahrleistungen, die auch von der Rennstrecke stammen könnten: von 0 auf 100 km/h in 4,2 Sekunden und eine offizielle Höchstgeschwindigkeit von 292 km/h, die jedoch − so ein Insider − von jedem Wagen bis auf 300 km/h übertroffen werden dürfte. Dass sich der Grenzbereich dank Front-Mittelmotor in Bereichen ausserhalb unseres Vorstellungsvermögens abspielt, ist auch klar; wer richtig gut Auto fahren kann, darf die elektronischen Helfer auch abstellen und seine Reifen in einer Stunde abfahren.

Doch dazu werden die Fahrzeuge in Privathand kaum kommen: Wer einen 8C bekommt, wird ihn hegen und pflegen und nur bei konstanter Hochdrucklage aus der klimatisierten Garage entlassen. Schade, denn der 8C sieht nicht nur atemberaubend aus, sondern fährt sich auch so: atemberaubend schnell und dabei beeindruckend sicher. Wer ihn besitzt, darf sich glücklich schätzen. Wer vertröstet wurde, darf vom Spyder träumen, der von 2009 an in einer Kleinserie gebaut wird. Jürgen Lewandowski

Der ganze Artikel: http://www.nzzamsonntag.ch/magazin/mobil/der_traum_der_alfisti_1.572245.html

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