Sonntag, 15. Juni 2008

Sonntagszeitung: Im Delta zwischen Draufgänger und Dandy

Die Sonntagszeitung hat den neuen Lancia heute eingerückt und der Delta von heute ist verknüpft mit der Geschichte der Marke und allen Schwierigkeiten von Lancia.

Zitat:
"von Ulrich Safferling
Auf Rosen gebettet war Lancia zuletzt nicht: Der Absatz sank zwischen 2000 und 2007 von 168 000 auf 113 000 Autos, der Verkauf in der Schweiz von 2159 auf 661 Stück. Den 100. Geburtstag feierte man eher geräuschlos.

Erst jetzt, nach vier Jahren ohne nennenswerte Modellpolitik und acht Jahre nach Einstellung des Vorgängers, bringt Lancia den neuen Delta auf den Markt. Ein Auto mit grossem Namen. Weniger wegen des Urvaters von 1911 als des zweiten Delta (1979-1995), der mit sechs Rallye-Weltmeisterschaften in Erinnerung bleibt. Ein Draufgängerkarren, der in der zweiten Serie (1994-2000) erfolglos weich gespült wurde.

Davon ist nichts geblieben. «Rennen sind nicht vorgesehen», beantwortet Lancia-Chef Oliver Francois Fragen nach neuen Rallye-Ambitionen. Der Radstand des Delta ist zu gross, Komfort statt Krawall lautet das Motto. Im Ganzen streckt sich der Lancia Delta auf 4,52 Meter Länge und sprengt damit die Golf-Klasse, in die er eigentlich gehört.

Das Kunststück gelang, weil Fiat die Plattform des technischen Bruders Bravo streckte. Um aus dem Tarnkappen-Fiat einen Lancia zu machen, lag das Hauptaugenmerk auf dem Design. Unverkennbar sind der Wappen-Grill und die sichelartigen Rückleuchten. Und was vorn noch kraftvoll genannt werden kann, gerät hinter zum Pölsterchenheck, das ein wenig an den Nissan Murano erinnert. Auf jeden Fall ist es - speziell.

Das Auto hat ein schweres Erbe und eine schwere Zukunft

«The sign of difference» nennt Lancia neumodisch den alten Anspruch. Vorhersagen kann man, dass sich am Heck die Geister scheiden werden. Mutig geschätzte 300 000 Autos im Jahr braucht Lancia ab 2010 fürs Überleben. Ohne Delta klappt das nicht. Das Auto hat ein schweres Erbe und eine schwere Zukunft.

Drei Schlüsselwerte definiert Lancia-Meister Francois: Italyness, Eleganz und Temperament. Und so ganz nebenbei soll auch die Qualität deutlich besser werden. Letzteres könnte man kritisch sehen, weil die Innenraummaterialien und die Verarbeitung der Testwagen nicht über jeden Zweifel erhaben waren. Eine Positionierung oberhalb der BMW- 1er-Serie erscheint da kühn.

Doch Temperament hat er, der neue Delta. Etwas weniger im Basismodell 1.4 TurboJet (150 PS) ab 32 390 Franken. Aber ausreichend im 2.0 Multijet-Diesel (165 PS), der keine 40 000 Franken kosten soll. Topmodelle werden ein 1.9 Biturbo-Diesel (190 PS) und ein 1.8 Turbo-Benziner (200 PS).

Das Fahrwerk ist gut, die Lenkung komfortabel, nur die Schaltung hakelt manchmal. Punkten tut der Italo-Golf mit einer verschiebbaren Rückbank, die mehr Kniefreiheit oder mehr Kofferraum gewährt. Dazu kommen Optionen wie Kurvenlicht und Spurhalteassistent. Bei Fragen nach Spritspartechnik betont man das Sparpotenzial der Diesel.

Alles in allem kein schlechtes Auto. Ob das aber eine neue Ära begründet, wie Lancia betont?
Da muss die Marke noch deutlich über sich und Italien hinaus wachsen."

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